Dr. Babette Nieder ist sachkundige Bürgerin der SPD-Fraktion im Ruhrparlament, Vorsitzende der SPD Herten sowie Wasserstoff-Koordinatorin bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft WiN Emscher-Lippe GmbH.
Teil 1 unserer zweiteiligen Wasserstoff-Serie
Unseren Wohlstand verdanken wir der Industrie. Um die Industrie klimaneutral aufzustellen, brauchen wir Wasserstoff. Wie kann das funktionieren?
Unser Ziel: Klimaneutrale Industrie
Die Klimakrise ist inzwischen so weit vorangeschritten, dass es nicht reicht, siebzig oder achtzig Prozent unseres CO2-Ausstoßes zu reduzieren. Wir müssen klimaneutral werden und das geht nur, wenn wir zusätzlich zu Wind und Sonne auch auf Wasserstoff setzen.
Mit Wind und Sonne können wir Häuser heizen und mit Strom versorgen. Auch Autobatterien lassen sich mit Wind- und Sonnenstrom betreiben. Es geht jedoch darum, den Kern unseres Wohlstands – die Industrie – klimaneutral aufzustellen. Das funktioniert nur, wenn wir in der Stahl- und Chemieindustrie die fossilen Rohstoffe durch Wasserstoff ersetzen und in der energieintensiven Grundstoffindustrie Wasserstoff für Prozesswärme einsetzen.
Sicher und reaktionsfreudig
Wasserstoff ist das Bindeglied zwischen Industrie und Klimaschutz. Es ist ein spannendes chemisches Element, weil es einerseits höchst reaktionsfreudig ist und andererseits weit verbreitet, sicher in der Handhabung und komplett ungiftig. Wasserstoff tritt immer in Verbindung mit anderen chemischen Elementen auf. Das bekannteste ist die Verbindung mit Sauerstoff zu Wasser.
Manche erinnern sich vielleicht an das Knallgas-Experiment aus der Schule, bei dem Wasserstoff und Sauerstoff explosionsartig miteinander reagieren. Das passiert nur, wenn ein bestimmtes Mischungsverhältnis der beiden Stoffe vorliegt und ist deshalb gut beherrschbar. Und vor Wasser muss man keine Angst haben.
Wasserstoff verbindet sich auch gern mit Kohlenstoff zu Kohle, Öl und Erdgas. Wir arbeiten daran, die fossilen Brennstoffe durch Wasserstoff zu ersetzen. Man kann zum Beispiel Wasserstoff statt Koks verwenden, um aus Roheisen Eisenschwamm und daraus Stahl herzustellen. Der Wasserstoff reagiert mit dem Sauerstoff aus dem Roheisen, als „Abfallprodukt“ entsteht Wasser.
Wasserstoff wird auch in der Chemieindustrie als Rohstoff eingesetzt, um wichtige Ausgangsstoffe wie zum Beispiel Ammoniak und Methanol zu produzieren. Ebenfalls wichtig ist Wasserstoff für die Zementindustrie, die für acht Prozent der weltweiten Treibhausgase verantwortlich ist. Hier kann Wasserstoff eingesetzt werden, um das bei der Zementherstellung entstehende CO2 zu binden.
Wasserstoff als Stromspeicher
Da wir in Deutschland klimaneutral werden wollen, ohne auf Atomkraft zurückzugreifen, und Wasserkraft kaum verfügbar ist, bleiben uns als Energiequellen für die grüne Stromproduktion nur Sonne und Wind. Beides schwankt bekanntlich und deckt sich nicht immer mit dem jeweiligen Bedarf. Das Problem ist, dass man den Strom selbst, also die Elektronen, nicht speichern kann. Strom muss in mechanische oder chemische Energie umgewandelt werden, die dann zum Beispiel in Pumpspeicherkraftwerken oder Batterien gespeichert und bei Bedarf wieder in Strom zurück verwandelt wird. Batterien eignen sich jedoch im Gegensatz zu Wasserstoff nicht als Langzeitspeicher, diese Erfahrung macht jeder, wenn er sein Auto wochenlang ungenutzt stehen lässt und es anschließend nicht anspringt oder wenn sich der Handy-Akku leert, obwohl man das Telefon gar nicht benutzt hat.
Wasserstoff eignet sich sehr gut um Strom zu speichern. Das wird zum Beispiel im Wasserstoff-Kompetenzzentrum in Herten gemacht. Ein Elektrolyseur wandelt die Energie der Windkraftanlagen in Wasserstoff um, und eine Brennstoffzelle kann den Wasserstoff bei Bedarf in Strom umwandeln.
Warum das Ruhrgebiet ideale Voraussetzungen bietet, innovative Lösungen insbesondere für den industriellen Einsatz von Wasserstoff zu entwickeln, beschreibe ich im zweiten Teil.
Dr. Babette Nieder ist sachkundige Bürgerin der SPD-Fraktion im Ruhrparlament, Vorsitzende der SPD Herten sowie Wasserstoff-Koordinatorin bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft WiN Emscher-Lippe.