28. Februar 2024 Thema: Allgemein Von Nadia Khalaf
Nadia Khalaf aus Mülheim an der Ruhr ist Vorsitzende der AG Migration und Vielfalt der NRWSPD und Mitglied des Ruhrparlaments.
Die Grenzen des Sagbaren haben sich verschoben, es wird offen von „Remigration“ gesprochen – was nichts anderes bedeutet als Abschiebung aller Menschen, die angeblich nicht dazu gehören, weil sie nicht „deutsch“ genug sind.
Mich sprechen zurzeit viele Menschen an und fragen: „Was mache ich, wenn die Rechtsextremen hier tatsächlich Oberwasser bekommen? Deutschland ist meine Heimat. Wo soll ich denn hin?“
Ich kann die Ängste der Menschen gut verstehen. Mich betreffen die aktuellen Entwicklungen ebenfalls ganz persönlich. Meine Mutter ist Deutsche, mein Vater Ägypter. Ich kam 1969 in Mülheim an der Ruhr auf die Welt und habe seit 1975 die doppelte Staatsbürgerschaft. Soll ich dann als Hotelmanagerin nach Ägypten gehen und die Leute beherbergen, die mich abgeschoben haben?
Natürlich nicht! Ich und viele andere Menschen mit Einwanderungsgeschichte sind Teil dieser Gesellschaft und wir bleiben hier. Wir lassen uns nicht abschieben!
Millionen Menschen stehen zurzeit gegen Rassismus und Rechtsextremismus auf und demonstrieren gemeinsam für Demokratie und Vielfalt. Das ist gut und wichtig! Das zeigt, dass wir nicht alleine sind.
Doch auch ganz nüchtern ökonomisch betrachtet: Was würde wohl in Deutschland passieren, wenn die Menschen mit Einwanderungsgeschichte nicht mehr da wären? Die Infrastruktur würde zusammenbrechen, Notaufnahmen würden nicht mehr funktionieren, der ÖPNV sehr stark eingeschränkt und viele Kitas und Seniorenheime müssten schließen. Das sind nur einige wenige Beispiele.
Ohne Menschen mit Einwanderungsgeschichte gäbe es kein Ruhrgebiet – weder gestern, noch heute oder morgen. Allein das zeigt schon, dass die nationalistischen Reinheitsphantasien der Rechtsextremisten reine Propaganda sind und rein gar nichts mit ernstzunehmender Politik zu tun haben.
Was tun wir jetzt als Gesellschaft? Ich engagiere mich seit vielen Jahren in der SPD, vor allem in den Bereichen Migrations- und Asylpolitik und für die Interkulturelle Öffnung, weil ich für die Demokratie in diesem Land dankbar bin und mich mit dafür verantwortlich fühle sie lebendig zu halten. Das mache ich in der SPD, weil Antifaschismus zur DNA der Sozialdemokratie gehört und wir Vielfalt als Bereicherung betrachten und nicht als Bedrohung.
Die Demonstrationen sind wichtig, doch dabei kann es nicht bleiben. Jede und jeder ist jeden Tag aufs Neue gefragt, wenn es darum geht, für unsere offene und pluralistische Gesellschaft einzutreten und auch mal zu streiten. Diese offene Gesellschaft ist nämlich die Basis für die freie Entfaltung der Menschen.
Vielleicht haben wir Demokratie und Freiheit in den vergangenen Jahrzehnten ein bisschen zu selbstverständlich vorausgesetzt. Wir müssen uns immer wieder ins Bewusstsein rufen, dass eine freie, tolerante Gesellschaft auf Bürgerinnen und Bürger angewiesen ist, die ihre eigene Freiheit nicht nur als Recht, sondern auch als Verpflichtung begreifen.
Macht mit! Bringt euch ein! Werdet aktiv! In euren Städten und Stadtteilen, in Kitas, Schulen und am Arbeitsplatz. Da, wo ihr seid, denn ihr seid wichtig. Wir brauchen unsere Demokratie und die Demokratie braucht uns.
So auch dich!