17. November 2022 Thema: Freizeit Von Peter Krause
Peter Krause ist kulturpolitischer Sprecher unser Fraktion. Er ist sachkundiger Bürger im Ausschuss Kultur, Sport und Vielfalt
Nach zwei Jahren Corona-Pause können seit diesem Sommer viele Kulturveranstaltungen erstmals wieder stattfinden. Einiges hat gut funktioniert. So hatte zum Beispiel die „ExtraSchicht – Die große Nacht der Industriekultur“ sogar mehr Besucherinnen und Besucher als vor Corona, auch die Ruhrtriennale war sehr erfolgreich. Große Open Air-Festivals wie Wacken oder Bierzelt-Veranstaltungen wie das Oktoberfest in Essen hatten ebenfalls einen sehr guten Zulauf, trotz teils drastisch gestiegener Preise.
Auf der anderen Seite war es für kleinere Open Air-Festivals schwierig ein ausreichend großes Publikum zu erreichen. Bei Indoor-Veranstaltungen sind die Leute noch zurückhaltender. Wie dramatisch sich die Situation für die Künstlerinnen und Künstler verändert hat, lässt sich an aktuellen Absagen von Konzertterminen erkennen. Selbst eine so erfolgreiche Indie-Band wie Tocotronic oder auch die prominente Kölsch-Rockband Kasalla mussten Konzerte absagen, da sie nicht genug Karten verkaufen konnten.
Mehrere ungünstige Faktoren treffen hier aufeinander. Oft sind die Menschen aus Angst vor Infektionen noch zurückhaltend in Bezug auf Indoor-Veranstaltungen, gleichzeitig sorgen die hohen Energiekosten für steigende Ticketpreise. Außerdem haben sich viele Beschäftigte aus der Veranstaltungsbranche in den letzten zwei Jahren neue Jobs gesucht, weshalb viele Techniker und Servicekräfte fehlen. Dass Kultur aus sich heraus systemrelevant ist, wie es am Anfang der Pandemie beschworen wurde, hat sich als Illusion erwiesen.
Eine schwierige Lage für die Kulturschaffenden und natürlich auch für die Kulturstätten. Hochsubventionierten städtischen Theaterbetrieben kann im Zweifelsfall egal sein, wenn heute nur noch die Hälfte des früheren Publikums kommt. Für die freie Kulturszene ist diese Entwicklung jedoch existenzbedrohend.
Die Aufgabe von Politik ist in einer solchen Situation, nicht den Kopf in den Sand zu stecken, sondern aktiv nach neuen Wegen zu suchen. Welche Kultur wollen wir uns in Zukunft leisten? Was ist uns als Gesellschaft wichtig? Wo stecken in der Krise vielleicht auch Chancen? Wo gibt es gute Ansätze?
Ein schönes Beispiel ist die Freilichtbühne Mülheim. Seit vielen Jahren gibt es dort das Festival „Umsonst & draußen“, das im Laufe der Zeit immer größer geworden ist. Mitten in Mülheim findet in jedem Sommer ein buntes Programm von Musik und Comedy bis zu Kunst und Wissenschaft statt. Die Besucher werfen in den Hut, was sie können und möchten. Das funktioniert, weil viele Menschen diesen Ort der Begegnung wertschätzen.
Die Kulturförderung in Deutschland ist im Vergleich zu den meisten anderen Ländern sehr großzügig. Gleichzeitig ist Kultur vor allem eine kommunale Aufgabe, und wie schwierig es um die Kommunalfinanzen im Ruhrgebiet bestellt ist, ist hinlänglich bekannt. Wie kann die Kultur also durch diese Jahre von Pandemie und Energiekrise kommen? In Theatern oder Museen die Heizungen auszuschalten, kann nicht die Antwort sein.
Wir brauchen einen neuen gesellschaftlichen Aushandlungsprozess. Was ist uns als Stadtgesellschaft wichtig? Wofür wollen wir in Zukunft öffentliches Geld einsetzen? Was soll gefördert werden und was nicht? Die Kulturszene kann dabei eine Doppelrolle einnehmen – als Gegenstand der Diskussion und als kreative Impulsgeberin.
Die Kulturförderung sollte an die Veränderungen angepasst werden. Bisher wurden vor allem Ergebnisse gefördert. Es gab Geld, wenn ein Stück oder ein Konzert aufgeführt wurde. In Zukunft könnte sinnvoller sein, die Künstlerinnen und Künstler und den Prozess des Kulturschaffens selbst zu fördern, zum Beispiel durch Stipendien.
In der Metropole Ruhr gibt es viele großartige Kulturstätten. Sie können sich noch viel mehr öffnen und zu Orten der Begegnung werden, um mehr Menschen zu erreichen und um gemeinsam mit der Stadtgesellschaft neue Formen von Kunst und Kultur zu kreieren. Und warum nicht auch ganz neue Orte entdecken? Wie ließe sich zum Beispiel ein geschlossenes Karstadt-Haus temporär nutzen? Hier könnten Kulturschaffende, Bürger, Politik, Stadtplanung und Wirtschaftsförderung gemeinsam kreative Lösungen entwickeln.
Der RVR hat im Bereich Kultur vor allem eine moderierende Rolle und kann Menschen an einen Tisch bringen. In gut drei Jahren findet im gesamten Ruhrgebiet die europäische Biennale „Manifesta“ statt, im Jahr darauf die Internationale Gartenausstellung „IGA 2027“. Das sind große Chancen über städtische und institutionelle Grenzen hinweg Neues zu wagen und gemeinsam neue Formen für eine zukunftsfähige Kultur zu finden.
Peter Krause ist der kulturpolitische Sprecher der SPD-Fraktion. Er hat das MEO-Kulturforum der SPD mitgegründet, lebt in Mülheim an der Ruhr und war zwanzig Jahre lang Geschäftsführer des Soziokulturellen Zentrums und Theaterhauses Ringlokschuppen Ruhr.
Foto: ©RuhrTourismus
Bitte klicken, um externen Inhalt von Podigee zu laden.