06. Juli 2018 Thema: Allgemein Von SPD-Fraktion
Bei der Verbandsversammlung am 6. Juli wurde über den Regionalplan Ruhr diskutiert und einstimmig der Erarbeitungsbeschluss gefasst. Damit hat die Verbandsversammlung als Regionalrat den Entwurf des Regionalplans, den die Verwaltung erstellt hat, offiziell angenommen. Nun beginnt das Beteiligungsverfahren, in dem Kommunen, Verbände, Fachbehörden und Öffentlichkeit aufgerufen sind, sich zu diesem Entwurf zu äußern.
Die Vorsitzende der SPD-Fraktion, Martina Schmück-Glock, erläuterte in ihrer Rede die wegweisende Bedeutung des Regionalplans, die Herausforderungen, die die Erarbeitung eines so umfassenden Werkes mit sich bringt, und die damit verbundenen Chancen für die gesamte Region.
Nachfolgend dokumentieren wir die vollständige Rede der Fraktionsvorsitzenden.
Rede zum Erarbeitungsbeschluss des neuen Regionalplans Ruhr in der RVR-Verbandsversammlung am 6. Juli 2018
mit dem heutigen Beschluss über den Erarbeitungsentwurf ist ein Meilenstein für den neuen Regionalplan Ruhr erreicht.
Um es im Fußball-WM-Modus zu sagen: wir haben beim neuen Regionalplan Ruhr das Trainingslager und die Vorrunde hinter uns, jetzt steuern wir auf die entscheidenden Endrundenspiele zu. Nach der Veröffentlichung des heutigen Beschlusses wird das Beteiligungsverfahren für Kommunen und Betroffene eröffnet und somit eine gesetzlich vorgeschriebene Grundlage für die kommunale Flächennutzung und Bauleitplanung der Zukunft geschaffen.
Ich möchte dazu 15 Anmerkungen machen:
Die Regionalplanung sichert einerseits die natürlichen Lebensgrundlagen der Region, sie hält andererseits ausreichende Spielräume für die Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung vor.
Die wesentliche Steuerung erfolgt in der Siedlungs- und Freiraumentwicklung, beim großflächigen Einzelhandel, bei der Standortvorsorge technischer Infrastrukturen, in den Raumansprüchen erneuerbarer Energien, bei der Rohstoffsicherung, im Gewässer- und vorbeugenden Hochwasserschutz.
Dabei sind nicht nur Vorgaben des Raumordnungsgesetzes des Bundes und des Landesentwicklungsplans zu beachten. Auch weitere Gesetze spielen eine Rolle, beispielhaft sei genannt der Abstandserlass aus dem Bundesimmissionsschutzgesetz oder der Schutz des Grundwassers.
Man erkennt sofort: die Bandbreite der Themen ist gewaltig, Interessenkonflikte sind vorprogrammiert.
Nein, davon kann wahrlich nicht die Rede sein: sie hat eine über hundert Jahre lange Tradition. Den Impuls für eine regionale Planung gab die Dissertation von Robert Schmidt im Jahr1912 mit dem Titel „Denkschrift betreffend Grundsätze zur Aufstellung eines General-Siedlungsplanes für den Regierungsbezirk Düsseldorf (rechtsrheinisch)“.
Es war ein Vorgänger von Herrn Kufen, nämlich der Essener Oberbürgermeister Hans Luther, der die Ideen von Robert Schmidt aufgriff und darauf seinen Gesetzentwurf zur Gründung eines Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk (SVR) aufbaute, der 1920 als Vorgänger von KVR und RVR gegründet wurde.
Ein Planungsverband, der fortan und beispielgebend für viele Nachahmer die Geschicke der Region lenkte und die bereits fortgeschrittene industrielle Zersiedelungspolitik eindämmte durch den einzuhaltenden Schutz von Freiräumen.
Robert Schmidt entwickelte eine „machbare Utopie“ für die Region, denn für ihn „ließ sich ein zusammenhängendes Grünsystem nur planen, wenn eine abgestimmte Verkehrsplanung für den ganzen Bezirk existierte“ und dabei „eine Übereinkunft über die Formen des Wohnungsbaus“ voraussetzte. (S. 42)
Dies zeigt auch die Geschichte des SVR: Hans Luther und seine Beigeordneten Bucerius und Schmidt erhielten reichlich Gegenwind als sie 1919 einen Entwurf für eine Organisation mit landesplanerischen Aufgaben vorlegten: „Verschiedene Städte griffen den Plan scharf an, Provinzregierungen lehnten ihn ab, doch die Staatsregierung in Berlin stimmte zu.“ (S. 48)
Nach einer wechselvollen Geschichte des SVR wurden die Kompetenzen wieder beschnitten: „Ab 1934 wirkte (der SVR) nur noch beratend an den Planungen im Straßenbau mit, die Provinzen besaßen wieder uneingeschränkte Zuständigkeit.“ (S.49)
Und auch was die sonstige Planungskompetenz betraf, durfte der Verband nicht mehr allein handeln, „denn die Oberpräsidenten der Rheinprovinz und der Provinz Westfalen waren gegenüber dem SVR weisungsberechtigt.“ (S. 49)
(Alle Zitate aus „Regionale Planung im Ruhrgebiet, Von Robert Schmidt lernen?“)
Haben Sie gerade ein Déjà-vu-Erlebnis?
Ich zitiere ausschnittsweise aus dem Kommunalwiki der Heinrich Böll Stiftung, um die Ihnen bekannte weitere Geschichte zu raffen:
„Die Aufgaben des Verbandes bei der Raumordnung und beim Städtebau wurden 1962 im Landesplanungsgesetz festgelegt, 1975 jedoch eingeschränkt und 1979 mit dem Gesetz über den Kommunalverband Ruhrgebiet (KVR) für weitere 25 Jahre geregelt.
Am 1.Oktober 2004 wurde per Landesgesetz aus dem KVR der RVR. Dabei erhielt er erweiterte Zuständigkeiten in der regionalen Selbstverwaltung.“
Fazit: Erweiterte Zuständigkeit ja, aber keine Planungskompetenz. Diese blieb weiterhin zersplittert in vier angrenzende Regierungsbezirke.
Ab Oktober 2009 übernahm der RVR – und als Sozialdemokratin sage ich leider – die staatliche Regionalplanung für das Ruhrgebiet.
Und ‚leider‘ sage ich, weil es auch einer sozialdemokratischen Landesregierung mit der Reform 2004 gut angestanden hätte, die Zersplitterung des Ruhrgebiets in vier Planungsbereiche zu beenden.
Grundsatz positiv – Praxis zu Beginn sehr ernüchternd. Denn personell war die „Planungsbehörde RVR“ nur mit wenigen Fachleuten für den größten Planungsraum in Nordrhein-Westfalen besetzt. Das wurde später nachgebessert.
Was allerdings bis heute nicht geregelt ist, ist die Beteiligung des RVR an der Vorbereitung von Beschlussvorlagen. Hier gibt es leider immer noch einen sehr umständlichen Abstimmungsprozess, was ein wenig an die Weisungsberechtigung der Oberpräsidenten gegenüber dem SVR erinnert.
Jüngstes Beispiel: Die letzte Sitzung des Strukturausschusses hat nicht stattgefunden, weil es keine Vorlagen gab.
Bei einigen Mitgliedern der Verbandsversammlung steht der lange Zeitraum der Erarbeitung des Regionalplans in der Kritik. Ja, das lässt sich einfach sagen: die Verwaltung hat acht Jahre gebraucht, um einen Plan zu erarbeiten!
Meine Damen und Herren, ich hätte nicht mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bereich Planung tauschen wollen. Denn die standen vor der Herausforderung, aus vielen Teilplänen einen zu machen:
GEP99, GEP Emscher-Lippe, GEP Bochum-Hagen, Regionaler Flächennutzungsplan, GEP Dortmund West, dazu die Regionalpläne aus Arnsberg, Düsseldorf und Münster.
Um im Fußball Modus zu bleiben: Es soll leichter sein, eine Mannschaft „rot-weiß VfL Borussia Schalke“ auf die Beine zu stellen.
Zu Anfang ein wenig als „Amöbenmuster“ verspottet hat der Prozess um den regionalen Diskurs an Akzeptanz in der Region gewonnen. Es gilt dabei der hohe Anspruch bereits im Vorfeld eines Beschlusses mit allen Kommunen nach Möglichkeit alle Stolpersteine für den Regionalplan aus dem Weg zu räumen.
Ein anspruchsvolles Vorhaben, denn mit Ideenwettbewerb, Beirat, Arbeitskreis Regionaler Diskurs und kommunalen Gesprächen sind mehr als 2.500 Beteiligte aus Institutionen, Verbänden, Wissenschaft, Politik, Kommunen, Kreisen, Bezirksregierungen, Ministerien und Wirtschaft beteiligt worden.
Allerdings: In den nächsten Wochen und Monaten wird sich zeigen, ob und wie erfolgreich dieser Vorlauf gewesen ist.
Planungen werden von Planern nach Recht und Gesetz erarbeitet. Politik bringt danach das Farbenspiel ein. Ein normaler Vorgang, aber auch ein Problem, wenn – ich gebrauche den Fußball-Modus noch einmal – mitten im Spiel die Mannschaft ausgetauscht wird und sich die Regeln für die Planer ändern.
So mussten in jüngster Vergangenheit durch die Planer des RVR von der alten Landesregierung noch in Kraft gesetzte Vorgaben eines neuen LEP beachtet werden und so müssen in naher Zukunft zunächst auf dem Erlassweg, dann gesetzlich abgesichert die erneuten Änderungen des LEP in den Erarbeitungsbeschluss eingearbeitet werden.
Auch so kommen natürlich Verzögerungen zustande, die aber der eigenen Behörde nicht angelastet werden können. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass im Verlauf der Erarbeitung auch das Raumordnungsgesetz von 2008 im Jahr 2017 geändert wurde und entsprechend berücksichtigt werden musste.
Der Entwurf des Regionalplans liegt seit einiger Zeit vor. Vier Ordner machen mächtig Eindruck und zeugen von sehr, sehr viel Arbeit. Ich glaube, nur ein Bruchteil der hier versammelten Verbandsversammlungsmitglieder hat die über 2000 Seiten in vier Ordnern mit acht Anlagen bisher von Anfang bis Ende gelesen. Ich jedenfalls nicht!
Wir waren verwirrt über den Begriff „zu eigen machen“. Aber das haben wir eindeutig geklärt. Es ist ein Verwaltungsentwurf, der mit seiner Veröffentlichung das Beteiligungsverfahren ermöglicht.
Einwände von außen (von Kommunen und Betroffenen) sowie Einwände von Seiten der Regionalpolitik werden in den nächsten Monaten beraten und abgewogen. Und erst mit abschließendem Beschluss des Regionalrats Ruhr wird aus dem Entwurf der Regionalplan Ruhr.
Martin Tönnes geht als zuständiger Planungsdezernent des RVR davon aus, dass ein Großteil der planerischen Festlegungen des Entwurfs bei Kommunen und allen anderen Akteuren unstrittig ist.
Es sind beeindruckende Zahlen, die präsentiert wurden: Flächen für 115.000 neue Wohneinheiten, 100.000 Hektar Standorte für den Bestand und die Neuansiedlung von Gewerbe, mehr als 26.000 Hektar für Standorte für Gewerbe und Industrie mit Flächenpotenzial für rund 195.000 neue Arbeitsplätze. Davon rund 1.300 Hektar für Betriebe mit hohem Flächenbedarf („Regionale Kooperationsstandorte“), was wir sehr begrüßen!
Der Teufel steckt bekanntlich im Detail, oder um auf ein Beispiel zu kommen, das in den letzten Tagen durch die Presse ging: Manchmal ist auch Sand im Getriebe.
Wir alle kennen Themen, die kontrovers diskutiert werden. Sie sind ja schon an unsere Fraktionen heran getragen worden. Der Abbau von Rohstoffen gehört dazu, die Ausweisung von Flächen an einigen Stellen ebenso. Dort müssen wir nach Abwägung Entscheidungen treffen. Ich kann nur dazu aufrufen, bei allen Partikularinteressen den regionalen Blickwinkel nicht aus dem Auge zu verlieren. Politik bedeutet immer, Kompromisse zu machen. Aber diese Kompromisse dürfen nicht auf Kosten der nachfolgenden Generationen gemacht werden, sondern in deren Interesse.
Wie wichtig eine ausgewogene und abgewogene Regionalplanung für die Metropole Ruhr ist, merken wir gerade jetzt: es wird immer heißer, immer trockener, demgegenüber gibt es immer mehr Unwetter und Stürme. Wir müssen bei unseren regionalplanerischen Entscheidungen das Leben der Menschen umfassend im Blick haben.
Neben der Ausweisung von künftigen Wohn- und Gewerbeflächen gilt es im besonderen Maß, Freiräume mit regionaler Bedeutung zu erhalten. Das ist ein wichtiger Schritt, um die Lebensqualität in der Region zu sichern, die Umwelt zu schützen und Klimaschutz aktiv zu betreiben. Auch hier bietet der Regionalplan Chancen, wie zum Beispie bei den eingangs erwähnten Themenfeldern Raumansprüche erneuerbarer Energien, Rohstoffsicherung, Gewässer- und vorbeugender Hochwasserschutz. Darauf wird meine Fraktion im weiteren Verfahren sehr achten.
Dass der Entwurf des Regionalplans unverändert beschlossen wird, glaubt niemand ernsthaft. Wir gehen aber davon aus, dass bei einem großen Teil des Verbandsgebietes Konsens über die zukünftige Entwicklung herrscht und viele Kommunen schon in den Startlöchern stehen, um ihre Vorhaben auf der Grundlage des Erarbeitungsentwurfs mit kommunalen Planungen zu untermauern.
In Teilen des Verbandsgebiets gibt es vom Entwurf abweichende Entwicklungsvorstellungen. Wir sind dankbar für die Stellungnahme aus dem Ministerium für Wirtschaft vom 26. April 2018, die deutlich zum Ausdruck bringt, dass eine erneute Offenlegung nur für den möglicherweise geänderten Teil des Planentwurfs notwendig ist, um erneut Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben – also keine zweite wiederum Zeit kostende Offenlegung des gesamten Plans notwendig ist.
Und eins verrät der Blick in die Glaskugel auch schon jetzt: Regionalplanänderungsverfahren werden zum normalen Prozedere dieses Hauses.
In den letzten Jahren sind rund um die Erarbeitung des Regionalplans zahlreiche kreative Ideen geboren worden, die wir weiter verfolgen wollen. Damit nichts verloren geht, sollen die Erkenntnisse aus dem Prozess des Regionalen Diskurses in ein „Handbuch“ aufgenommen werden und in der Perspektive das regionale Handeln des RVR begleiten.
„Eine machbare Utopie für die Region“ wollte Robert Schmidt für das Ruhrgebiet erreichen. Nach vielen Rückschlägen in der Geschichte des Verbandes haben wir es nach beinahe einhundert Jahren nun selbst in der Hand.
Unsere machbare Utopie heißt: wir wollen die grünste Industrieregion der Welt werden.
Die Internationale Gartenschau 2027 ist ein gutes Beispiel dafür. Anfangs als Blümchenschau verlacht gibt es jetzt eine parteiübergreifende Unterstützung – sogar aus Düsseldorf (was mich sehr freut!).
Wir haben hier die Möglichkeit, gemeinsam mit allen Kommunen etwas für die Region und für die Menschen zu tun. Bei Arbeitsplätzen, bei der Mobilität, beim Gewässerschutz, beim Klima, in der Stadtentwicklung– alles getreu dem Motto „Wie wir morgen leben, wohnen und arbeiten wollen“.
Mit dem Regionalplan Ruhr haben wir ein geeignetes Instrument.
Lassen Sie uns diese Chancen nutzen.
Glück auf!